Der Streit über die Frage, wer den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan, von seinem Microsoft-basierten E-Mail-Konto abgekoppelt hat, geht weiter. Microsofts Präsident Brad Smith betonte am Mittwoch vor Journalisten, Microsoft habe seine Dienste für das Den Haager Gericht weder beendet noch ausgesetzt. Wörtlich sagte der 66-Jährige Berichten zufolge: Die von Microsoft ergriffenen Maßnahmen hätten "in keiner Weise die Einstellung der Dienste für den IStGH" umfasst. Zuvor hatte die Nachrichtenagentur AP gemeldet, Microsoft habe Khans E-Mail-Account aufgrund von Sanktionen gesperrt, die US-Präsident Donald Trump gegen den Gerichtshof verhängte.
Ein Microsoft-Sprecher erläuterte gegenüber heise online schon damals vage: "Seit Februar stehen wir während des gesamten Vorgangs, der zum Ausschluss des sanktionierten Beamten von den Microsoft-Diensten führte, mit dem IStGH in Kontakt." Der Konzern habe seine Services für das Gericht zu jeder Zeit aufrechterhalten. Auch Smith wollte sich nun aber nicht zu den genauen Umständen äußern, die zur Abschaltung von Khans E-Mail-Zugang führten. Der IStGH lehnte eine Stellungnahme ebenfalls ab. Laut der WirtschaftsWoche will Microsoft einen Weg aus der "Trump-Falle" gefunden haben. Der US-Konzern hoffe, Sanktionen des Republikaners erfüllen zu können, ohne Kundenkonten abzuschalten. Anwälte seien zu der Ansicht gelangt, dass Microsoft lediglich eine technische Plattform bereitstelle. Die Kunden müssten so selbst entscheiden, ob sie ihren Mitarbeitern Zugriff auf die Dienste gewährten. Microsoft werde in Szenarien wie dem IStGH-Fall nicht mehr eingreifen.
Die Open Source Business Alliance (OSBA) bezeichnete das Vorgehen von Microsoft "in diesem Kontext und dieser Auswirkung" im Mai als beispiellos. Die von den USA angeordneten und Microsoft mit umgesetzten Sanktionen gegen den Strafgerichtshof müssten "ein Weckruf für alle sein, die für die sichere Verfügbarkeit staatlicher und privater IT- und Kommunikationsinfrastrukturen verantwortlich sind". Auch Digitalstaatssekretär Thomas Jarzombek (CDU) unterstrich mit Blick auf den Fall, dass Deutschland seine Anstrengungen für digitale Souveränität erhöhen müsse. Bart Groothuis, ein niederländischer liberaler EU-Abgeordneter, drängt aus dem gleichen Grund auf die Schaffung einer unabhängigen europäischen Cloud. Er hob jüngst hervor: "Die Welt hat sich verändert."
Smith kündigte parallel in Berlin den Start eines "europäischen Sicherheitsprogramms" an. Damit werden "wir unser langjähriges Engagement zur Verteidigung von Europas Cybersicherheit ausweiten", erklärte der Manager. Microsoft setze damit von ihm unlängst in Brüssel vorgestellte "digitale Zusicherungen" um.
Konkret versprach Smith einen verstärkten Austausch von KI-basierten Bedrohungsinformationen mit europäischen Regierungen und zusätzliche Investitionen zur Stärkung von Cybersicherheitskapazitäten und Resilienz. Das Unternehmen will ferner Partnerschaften zur Abwehr von Cyberangriffen und zum Zerschlagen cyberkrimineller Netzwerke ausbauen.
Angesichts "anhaltender Bedrohungsaktivitäten" staatlicher Akteure etwa aus Russland, China, Iran und Nordkorea im Cyberraum will Microsoft Smith zufolge "jetzt jede böswillige Nutzung unserer neuesten KI-Modelle" verfolgen und proaktiv verhindern, "dass uns bekannte Bedrohungsakteure unsere KI-Produkte nutzen". Dies unterstreiche auch die Bedeutung sicherer Entwicklung und strikter Tests von KI-Modellen, der Nutzung von Künstlicher Intelligenz für die Cyberabwehr sowie enger öffentlich-privater Partnerschaften zum Austausch neuester Erkenntnisse über die Schlüsseltechnik und IT-Security. Möglichkeiten zur Identifizierung von Schwachstellen und die Sicherheitskommunikation würden verbessert. Microsoft will laut Smith zudem die Zusammenarbeit etwa mit der Zivilgesellschaft und Strafverfolgern ausbauen. Erst am Montag gab der Konzern seinen Plan bekannt, seine Präsenz in Europa auszubauen und 400 Millionen US-Dollar in Rechenzentren in der Schweiz zu stecken.
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