Die Nutzung von "Big Data" ist im Zusammenhang mit polizeilichen Ermittlungen umstritten – neu in der Diskussion ist hingegen "Small Data". Die Probleme scheinen aber im Grunde dieselben und Polizisten und Datenschützer sind sich oft uneins. Das zeigte sich bei einer Debatte über den Technologieeinsatz in Polizeien beim 28. Europäischen Polizeikongress in Berlin.
Carolina Stindt von der Unternehmensberatung PwC stellte eine Studie auf der Grundlage von Interviews und Gesprächen mit Mitarbeitern der Polizei vor. Demnach ist der Technologieeinsatz in traditionellen Bereichen wie Videoüberwachung, Grenzkontrolle und Vorgangsbearbeitung vergleichsweise etabliert. Neuere, insbesondere KI-gestützte Technologien würden jedoch in Deutschland "häufig nur zaghaft und pilotartig" in einzelnen Bundesländern und Polizeibehörden eingesetzt. Die Rahmenbedingungen, so Stindt, seien oft "vor-digital" und die allermeisten Interviewpartner hätten gesagt, "dass gerade diese Technologien wichtig wären, um die Datenerfassung und -auswertung effizienter zu gestalten und insbesondere Muster besser zu erkennen". Stindt verwies aber auch darauf, dass gerade datenbasierte Entscheidungen in der Bevölkerung immer noch auf große Skepsis stießen.
Andreas Stenger, Präsident des LKA Baden-Württemberg, fand offene Worte. Er sieht den Status quo der Ausstattung in den Polizeien kritisch: Die IT-Landschaft sei heterogen, manche Bundesländer seien weit, andere nicht, die Technik zum Teil veraltet, Infrastruktur marode, Glasfaser problematisch, Automatisierungsprozesse teils schwierig umzusetzen, weil es an der Infrastruktur krankt. Das Hauptproblem für ihn als Praktiker sei die langsame Umsetzung im Zuge der Saarbrücker Agenda. Mit einem kleinen Seitenhieb auf drei der Diskussionsteilnehmer (inklusive Moderator), die beim Beratungshaus PwC arbeiten, regte er "mehr Governance und weniger externe Beratung" an.
Für Gerald Eder, den fachlichen Leiter des "Programm 20" zur Digitalisierung der Polizei, ist die heterogene Ausgangssituation in einem föderalen Staat die größte Herausforderung. Schon bei der Frage, welcher Beamte zu welchen Informationen Zugang habe, sei der Abstimmungsprozess gigantisch. Man stecke in einem Dilemma, so Eder: Derzeit habe man teils "tolle Daten", die aber nicht verfügbar seien, weil es die entsprechenden Regelungen dafür noch nicht gebe. Als Beispiel führte er den Attentäter von Magdeburg an – die mit dem Fall befassten Ermittler hätten bloß Daten aus Sachsen-Anhalt gesehen, nicht aber die bundesweit zum Täter erfasste Datenmenge.
Die Publizistin Anke Domscheit-Berg, ehemaliges Linken-MdB, gab zu bedenken, dass es immer um Balance gehe und verwies auf das Bundesverfassungsgericht. Das verlange Abwägungen: Ist eine Maßnahme überhaupt nachweislich geeignet, um ein Problem zu lösen? Und wenn sie geeignet ist, aber einen Eingriff in die Grundrechte bedeute: Kann man sie durch eine andere Maßnahme ersetzen? Und ist die Maßnahme angemessen, also stehen die "Nebenwirkungen" in einem Verhältnis zum erwartbaren Nutzen? "Das funktioniert in der Praxis ganz oft ganz schlecht", konstatierte Domscheit-Berg.